Moderne Technik - auch in der Kreisoberliga!

Torlinientechnik, Video-Beweis, Headset, Freistoßspray, Funkfahnen - der Fußball ist in der modernen Neuzeit angekommen. Das Geschehen auf dem Platz wird immer schneller und die Schiedsrichter brauchen Hilfsmittel, damit ihnen nichts entgeht. Was der interessierte Beobachter aus der Bundesliga und dem Fernsehen kennt, ist doch sicher auch im Amateurfußball eine Hilfe oder? 

 

Einige Zuschauer rieben sich vermutlich am letzten Sonntag-Nachmittag beim Kreisoberliga-Spiel zwischen der SG Sachsenbrunn/Crock und dem SV Isolator Neuhaus-Schierschnitz verwundert die Augen, als Schiedsrichter Benjamin Strebinger und seine Assistenten mit Headsets das Spielfeld betraten. Doch der aufstrebende Jung-Schiedsrichter, der schon drei Jahre in der Junioren-Bundesliga und seit zwei Spielzeiten in der Oberliga pfeift, klärt auf. „Natürlich haben einige ein wenig komisch geguckt. Ich habe mir das Headset recht neu angeschafft und bin damit in der Junioren-Bundesliga und Oberliga unterwegs. Um Routine reinzubekommen, habe ich es in Sachsenbrunn auch genutzt. Die Verantwortlichen hatte ich vorab darüber informiert“, erklärt der aus Waldau stammende Strebinger den Einsatz der modernen Kommunikationstechnik. 

 

Drei Wochen besitzt er nun ein eigenes Headset. „Erstmals hatte ich damit Berührungspunkte als ich Assistent von Daniel Bartnitzki aus Erfurt bei einem Freundschaftsspiel war. In der Junioren-Bundesliga haben es viele Assistenten aus anderen Landesverbänden wie Bayern oder Niedersachsen dann zu den Spielen mitgebracht“, erklärt der 21-jährige Schiedsrichter. Mit Florian Butterich (aktuell in der Regionalliga eingestuft) besitzt ein weiterer Unparteiischer aus dem Fußballkreis Südthüringen übrigens auch ein solches Hilfsmittel. Als junger Mensch ist Benjamin Strebinger die Technik nicht fremd und er sieht vor allem die Vorteile. Das aber ältere Unparteiische durchaus Vorbehalte gegen diese Art von Kommunikation auf dem Fußballplatz haben, kann der Lehramtsstudent für Wirtschaft/Recht/Technik und Sport aus Erfurt durchaus verstehen. „Es ist sicher typabhängig, ob man es nutzen will oder nicht. Wenn man es jahrelang nicht kennt, ist es schon eine Umstellung“, erklärt er.

 

Ob überdimensioniert oder sinnvoll - die „Dauer-Verbindung“ per Headset gibt dem Schiedsrichter-Team viele Vorteile. „Es hilft den Assistenten vor allen bei den administrativen Sachen bei den Trainerbänken, wie beispielsweise Auswechslungen oder dem Warmmachen von Spielern. Außerdem kann so schnell ein Austausch stattfinden, wenn was im Rücken des Schiedsrichters passiert wie Beleidigungen oder Foulspiele. Auch bei Standards kann man sich so schnell austauschen“, gibt Benjamin Strebinger konkrete Beispiele, wo das Funk-Headset unterstützt.  

 

Wichtig ist dabei allerdings der richtige Umgang mit der modernen Technik (siehe INFOKASTEN). Dies beginnt schon vor dem Spiel beim Kalibrieren der Headsets. Drei Stück hat in der Regel ein Schiedsrichterteam zur Verfügung. Das Set kann um ein Weiteres für einen möglichen vierten Offiziellen ausgeweitet werden. Benjamin Strebinger hat sich sein Ohrstück extra anfertigen lassen, damit es auch beim Rennen auf dem Platz gut sitzt und nicht stört. Zudem sollte die Technik bereits beim Warm-Up der Unparteiischen einmal auf volle Funktionalität getestet werden. „Alle können gleichberechtigt miteinander kommunizieren. Am Ende liegt die Entscheidungsgewalt natürlich immer beim Hauptschiedsrichter. Wichtig ist es, dass man klare Absprachen hat und prägnante, kurze Ansagen macht. Das Wort ‚kein‘ darf es da nicht geben, weil es doch mal verschluckt werden kann und sich die Bedeutung so umdreht. Man sagt beispielsweise besser ‚Weiterspielen‘ statt ‚Kein Abseits‘“, erklärt der Schiedsrichter seine neuerworbene Technik, die preislich im unteren vierstelligen Bereich liegt. Ein Dank richtet der junge Unparteiische in diesem Zusammenhang an seinen Heimatverein vom SV Grün-Weiß Waldau, der bei der Anschaffung finanziell unter die Arme griff. 

 

Natürlich weiß der Wahl-Erfurter, dass ein solches Headset auch Gefahren mit sich bringt. Die Akkulaufzeit ist zwar auf neun Partien ausgelegt, um jedoch einen Ausfall während des Spiels zu verhindern, lädt Benjamin Strebinger es vorsorglich nach jeder Begegnung auf. „Natürlich schauen auch mehr Leute auf dich, wenn du sowas trägst. Das schürt die Erwartungen bei Zuschauern und Offiziellen und erhöht vielleicht auch den Druck auf dich als Schiedsrichter. Aber in meinen Augen überwiegen klar die Vorteile“, erklärt der 21-Jährige.

 

Bei allen technischen Möglichkeiten, die im Fußball Einzug halten, lebt der Sport von Emotionen. Dass diese durch die Nutzung der Technik verloren gehen, kann Benjamin Strebinger einerseits verstehen. Jedoch überwiegen für ihn auf der anderen Seite die Vorteile: „Natürlich ist es bei einer strittigen Torerzielung manchmal schwierig. Wenn der Treffer dann nicht zählt, gehen ein stückweit Emotionen verloren. Aber letztendlich ist es wichtig, dass die richtigen Entscheidungen getroffen werden.“

 

Er selber wird jetzt nicht jede Woche mit dem Headset in der Kreisoberliga oder Kreisliga unterwegs sein. Vielmehr sieht er es als Investition in die eigene Schiedsrichter-Zukunft. In der Oberliga und Junioren-Bundesliga ist die Nutzung dieser Techniken schon fast Gewohnheit. Und gerne würde der junge Unparteiische noch ein paar Stufen auf der Schiedsrichter-Leiter klettern. Wenn er mit 25 Jahren die 3. Liga erreicht hätte (Anm. d. Red. festgelegte Altersgrenze des Deutschen Fußball-Bund), stünden ihm alle Wege nach ganz oben offen. „Meine Zielstellung ist es mich erstmal weiter in der Oberliga zu etablieren. Natürlich würde ich langfristig aber gerne noch ein, zwei Schritte nach oben machen“, sagt Benjamin Strebinger über seine Ziele. In der 3. Liga ist ein Headset übrigens bereits Standard und wird vom Deutschen Fußball-Bund den Schiedsrichter-Team zur Verfügung gestellt…

 

INFOKASTEN // TECHNISCHE ERKLÄRUNG:

Schiedsrichter-Headsets sind moderne Kommunikationssysteme, die den Austausch der Unparteiischen während des Spiels ermöglichen. Dabei können zwei bis vier Nutzer am selben Gespräch teilnehmen. Das System ermöglicht eine freihändige, sofortige, störungsfreie und andauernde Kommunikation. Zudem nutzen einige Modelle einen Rauschfilter, der Störgeräusche unterdrückt, sodass die Stimme deutlich übertragen wird. Die Verbindung wird der Funkgeräte-Technik folgend über elektromagnetische Wellen im Radiofrequenzbereich drahtlos zwischen den Beteiligten hergestellt. Die Gesprächspartner müssen dazu auf der selben Frequenz kommunizieren (wählbar durch Kanäle). Jede Person des Schiedsrichterteams trägt einen Empfänger/Funkgerät (am Oberarm, angebracht mit einem Armband) und ein Headset bestehend aus Kopfhörer und Mikrofon, die per Kabel miteinander verbunden werden. Der Empfänger hat je nach Hersteller ein Gewicht von 100 bis maximal 200 Gramm. Das Headset wird mit einem Befestigungsbügel am Ohr angebracht. Zudem gibt es verschiedene Ohrstücke, die den Tragekomfort erhöhen. Die Reichweite des Systems wird bis zu 800 Metern auf einer freien Fläche angegeben. Die Systeme funktionieren mit Akkus, die eine Laufzeit von bis zu 14 Stunden haben. Ein voller Ladezyklus, wobei alle Sets gleichzeitig geladen werden, dauert bis zu vier Stunden. 

 

Bei der WM 2006 waren erstmals Headsets im Einsatz. In der Bundesliga wurde in der Saison 2009/10 mit der Einführung begonnen. Seit der Saison 2018/19 dürfen Headsets zudem auf den Trainerbanken der Bundesliga und 2. Liga zu Coaching- und Taktikzwecken auch in Verbindung mit Tablets genutzt werden. 

 

Text: Andre Hofmann

Quelle: FuPa